Der Plan, von Millionen US-Reisenden Angaben zu ihren Onlinepräsenzen abzufragen, stößt auf vielfältige Kritik. Widersinnig, diskriminierend, extrem teuer und ein Angriff auf die Freie Rede sei er, meinen 28 US-Bürgerrechtsorganisationen.

Das US-Ministerium für Heimatsicherheit (DHS) will Millionen US-Reisende nach ihren Online-Präsenzen befragen. Diese Absicht hatte das DHS im Juni bekanntgegeben. Nun spricht sich eine Koalition aus 28 US-Bürgerrechtsorganisationen mit deutlichen Worten gegen diesen Behördenplan aus. Sie sehen darin keinen Sinn, aber hohe Kosten, und befürchten einen weltweiten Knebeleffekt. Viele Menschen würde sich dann nicht mehr trauen, online ihre echte Meinung zu äußern.

„Bitte tragen Sie Informationen zu ihrer Online-Präsenz – Provider/Plattform – Social Media ID ein“, soll bald im Online-Antrag für die Elektronische Reisegenehmigung (ESTA) sowie auf den Ein- und Ausreisekarten I-94/I-94W gefordert werden. Offiziell sind die Angaben freiwillig. Zu den Betroffenen gehörten also fast alle Reisenden aus den 38 Visa-Waiver-Staaten, darunter Deutschland, Österreich und die Schweiz. „Social-Media-Daten zu sammeln wird das bestehende investigative Verfahren verbessern, und dem DHS mehr Klarheit über und Sicht auf mögliche ruchlose Aktivitäten und Verbindungen verschaffen“, begründet das Ministerium seinen Plan.

Mehr Futter für Geheimdienste

Aber das beruhigt die Bürgerrechtsorganisationen nicht. Die geplante Abfrage würde viele „Antragsteller dazu veranlassen, ihre Konten zu löschen, mit Auswirkungen auf ihre privaten, beruflichen und reisebezogenen Aktivitäten“. Darüber hinaus seien Social-Media-Inhalte stark kontextbezogen und die Antragsteller hätten keine Gelegenheit, sich zu erklären.

Weil alle bei ESTA gesammelten Daten an US-Geheimdienste weitergeleitet werden, befürchten die Bürgerrechtler eine weitere Ausdehnung der Überwachung, unabhängig von den geplanten Reisen. Zudem würden die Kontonamen es Geheimdiensten erleichtern, von den Betreibern die Aushändigung privater Daten zu verlangen.

Araber, Muslime und Journalisten

Zudem trage die Analyse der in Social-Media-Diensten einsehbaren Inhalte und Verbindungen ein hohes Risiko der Diskriminierung. Es werden „arabische und muslimische Gruppen am härtesten treffen“, meinen die Organisationen, „kulturelle und sprachliche Barrieren erhöhen das Risiko, dass Social-Media-Aktivitäten missverstanden werden. Es stellt auch ein signifikantes Risiko für Journalisten dar, deren Beruf Vertraulichkeit verlangt und deren Social-Media-Netzwerke ein Profil zeigen können, das, aus dem Zusammenhang gerissen, missverstanden wird“.

Dabei würde die Datensammlung für den angegebenen Zweck ohnehin nichts bringen. Die Autoren orten ein „fehlplatziertes Vertrauen in die Präzision der Online-Informationen und der Wahrscheinlichkeit relevanter Selbst-Enthüllungen“. Personen, die eine Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellen, würden kaum freiwillig kompromittierende Angaben machen.

Es kostet

Da die Daten ja nicht nur gesammelt, sondern auch ausgewertet werden müssen, befürchten die Bürgerrechtler überdies „prohibitive Kosten“. „In Aktionen umsetzbare Erkenntnisse lassen sich aus Social-Media-Kontexten nicht durch das Überfliegen von Inhalten und Verbindungen gewinnen“, heißt es in dem Text. Eine automatische Analyse würde fortgeschrittene Fähigkeiten des Machine Learning und komplexe Netzwerkanalysen notwendig machen. Bei automatischer Verarbeitung steige aber die Fehlerquote.

Zu den 28 Bürgerrechtsorganisationen, die die offizielle Eingabe unterzeichnet haben, gehören die American Civil Liberties Union (ACLU), das American-Arab Anti-Discrimination Committee, das Center for Democracy & Technology, das Committee to Protect Journalists, die Electronic Frontier Foundation (EFF), das New America’s Open Technology Institute sowie Restore The Fourth. Hunderte Einzelpersonen haben ebenfalls Stellungnahmen eingereicht. Von den bislang 317 online abrufbaren Eingaben sind fast alle ausgesprochen negativ. „Diese Idee stinkt“ ist dabei noch eine der harmloseren Formulierungen.

Quelle: http://heise.de/-3302166