Bundesjustizminister Heiko Maas hat seinen umstrittenen Gesetzentwurf mit strengeren Regeln für soziale Netzwerk heimlich, still und leise deutlich aufgebohrt. Kritiker warnen vor einer drohenden allgemeinen Netzzensur.

Geht es nach Bundesjustizminister Heiko Maas, gibt es künftig einen deutlich weiter gestrickten zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber Plattformbetreibern für Opfer strafrechtlich relevanter Persönlichkeitsverletzungen. Noch während der Verbändeanhörung zu dem Referentenentwurf für ein „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ hat er eine deutlich erweiterte Version zur Notifizierung an die EU-Kommission geschickt. Demnach sollen Betroffene künftig „die Identität des Täters“ bei Providern in Erfahrung bringen können. Unter dem Verweis auf eine Rechtsverletzung könnten so Pseudonyme aufgedeckt werden. Das wäre das „Ende der Anonymität im Netz, wenn es um Meinungsäußerungen geht“, meint der Rechtsanwalt Niko Härting.

Mit dieser Änderung hat sich Maas einem Wunsch der Großen Koalition gebeugt. Außerdem müssen soziale Netzwerke und ähnliche Plattformen der nun nach Brüssel geschickten Version zufolge künftig außerdem neben offensichtlich strafbaren Hass- und Hetzkommentaren oder Falschmeldungen etwa auch Pornografie, „verfassungsfeindliche Verunglimpfungen“ oder „landesverräterische Fälschungen“ binnen 24 Stunden löschen. Das ursprüngliche Papier hatte noch 14 Straftatbestände vor allem rund um Meinungsäußerungen umfasst, bei denen Facebook & Co. eingreifen müssten. Jetzt sind es 24 Delikte. Neu dabei ist etwa Paragraf 129a gegen die „Bildung terroristischer Vereinigungen“.

„Allgemeines Netzzensurgesetz“

Schon der erste Referentenentwurf hatte heftige Proteste bei digitalen Branchenverbände und Bürgerrechtlern ausgelöst, die eine wahllose Löschorgie bei Online-Plattformen angesichts der ihnen drohenden millionenschweren Bußgelder befürchteten. Für Volker Tripp vom Verein Digitale Gesellschaft zeigt das erweiterte Papier nun, „wohin die Reise mit dem von Minister Maas vorgelegten Entwurf zur Bekämpfung von Hate Speech tatsächlich geht“: auf dem Tisch liege ein „allgemeines Netzzensurgesetz“. Die Gefahr, „dass es zu einer besonders rigiden Löschpraxis der Anbieter oder zur Unterdrückung unliebsamer Äußerungen kommen könnte“, nehme mit den Änderungen deutlich zu. Ein „handfester Skandal“ sei es zudem, dass Maas sich gegenüber Einwänden der Verbände taub stelle. Der Minister erwecke den Eindruck, als ob es sich schon um eine beschlossene Sache handle.

Die Eile legt das Justizressort offenbar an den Tag, weil mit der Notifizierung bei der Kommission eine dreimonatige „Stillhaltefrist“ einhergeht. In diesem Zeitraum können neben der Brüsseler Regierungsinstitution auch andere Mitgliedsstaaten Einwände gegen den Entwurf erheben. Diese Verfahren gilt für alle rechtlichen Vorhaben rund um Dienste der Informationsgesellschaft.

Quelle: heise.de