Linke und Grüne haben eine Anhörung im Bundestag unter Protest verlassen, weil keine unabhängigen Geheimdienst-Experten geladen waren: Das Verfahren sei eine „Farce“. Datenschützer halten das Anti-Terror-Paket für verfassungswidrig.

Dass die Opposition mit der Auswahl von Sachverständigen für eine parlamentarische Anhörung unzufrieden ist und am kritischsten auf Gesetzentwürfe der Bundesregierung blickt, gehört zum guten Ton. Am Montag platzte Linken und Grünen aber der Kragen bei einer Expertenrunde zum geplanten Gesetz für den „besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ im Bundestag.

„Reine Farce“

„Das ist eine reine Farce, wir verlassen diese Sitzung“, wetterte die Linke Ulla Jelpke. Sie kritisiert, dass die Koalition gleich drei Präsidenten von Sicherheitsbehörden geladen und offenbar auch am bisherigen Gesetzgebungsverfahren beteiligt habe, nicht jedoch unabhängige Sachverständige. „Wir werden auch nicht beiwohnen“, betonte Irene Mihalic für die Grünen. Neben der Expertenauswahl kritisiert die Innenpolitikerin vor allem, dass Schwarz-Rot das Vorhaben noch in dieser Woche durch den Bundestag peitschen wolle, ohne „die Eilbedürftigkeit irgendwie sachgerecht zu begründen“. Die Opposition wolle sich nun förmlich bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) beschweren.

Die Koalition zog die Anhörung trotzdem durch. Der CDU-Abgeordnete Armin Schuster verteidigte das mit der versammelten „wunderbaren Mischung aus wissenschaftlichem und praktischem Sachverstand“. Die Experten gingen mit dem Regierungsvorschlag nicht immer konform. So erinnerte die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff die verbliebene Handvoll Gesetzesgeber daran, dass die Sicherheitsbehörden bei einer stärkeren „informationellen Zusammenarbeit“ Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts beachten müssten.

„Transparenz und Kontrolle“

Mit Urteilen etwa zur Anti-Terror-Datei habe Karlsruhe den Parlamentariern aufgegeben, Sicherheitsgesetze grundlegend zu überarbeiten und dabei etwa die betroffenen Personengruppen einzugrenzen, Eingriffsschwellen anzuheben oder „Transparenz und Kontrolle“ auszubauen. Dieser Maßgabe werde der vorliegende Entwurf nicht gerecht. Die geplante Auflage, dass Verkäufer von Prepaid-Mobilfunkkarten die Identität des Kunden feststellen müssen, dürfe nicht zu weit gehen. Insgesamt sei die Initiative nicht verhältnismäßig, da sie die Grundrechte nicht ausreichend schütze.

Die vorgesehenen „Verbund-Dateien“ stellten einen brisanten „Quantensprung nach vorne“ beim Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden dar, warnte der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. Alle angeschlossenen Ämter könnten darauf „massenhaft“ und letztlich unkontrollierbar zugreifen. Der Entwurf werde „den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Zusagen von Behörden in Drittstaaten, dass dort ein vergleichbares Datenschutzniveau „schriftlich festgelegt sein“ müsse, seien nicht ausreichend. Caspar erinnerte an die Absage des Europäischen Gerichtshofs an das Safe-Harbor-Abkommen und die enormen Schwierigkeiten mit dem geplanten Nachfolger „Privacy Shield“.

Wichtiges Ermittlungsinstrument

Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, befürworte den Entwurf. „Die Erhebung von Bestandsdaten spielt fast in jedem Verfahren eine wichtige Rolle als Ermittlungsinstrument“, stützte er die geplante Ausweispflicht beim Kauf von Prepaid-Karten. Bisher nutzten Beschuldigte sogenannte Wegwerfanschlüsse, „die mit falschen Daten registriert sind und die sie regelmäßig wechseln“. Kriminelle verwendeten dabei auch Daten von tatsächlich existenten Bürgern. Dies sei 2009 in drei Monaten 1900 mal vorgekommen. Dieser Zahl stellen Mobilfunkbetreiber die hierzulande 18 Millionen pro Jahr verkauften vorausbezahlten SIM-Karten gegenüber.

Lückenlos sei auch das skizzierte neue Verfahren nicht, räumte Münch ein. Trotzdem sprach er von einem „deutlichen Gewinn“, da ein sehr einfaches Instrument der Anonymisierung“ unterbunden würde. Zugleich beklagte er, dass eine neue Generation islamistischer Terroristen nicht mehr jeden Schritt in sozialen Netzwerken poste, sondern alle verfügbaren technischen Verschleierungstechniken einschließlich Kryptierung einsetze.

„Geänderte Sicherheitslage“

„Wir müssen uns auf die geänderten Sicherheitslagen einstellen“, hieb Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutzes, in die gleiche Kerbe. Der IS sei ein „staatliches Gebilde, das uns den Krieg erklärt hat“. Neben „Hit-Teams“ aus Syrien oder dem Irak könne es auch „Schläfer und Selbst-Radikalisierte“ geben, die „multiple“ versetzte Anschläge mit Kriegswaffeneinsatz und Selbstmordattentätern durchführten. Dazu kämen „radikalisierte Kinder“, die Polizisten angriffen und Anschläge durchführten.

Eine erweiterte Kooperation mit Geheimdiensten aus Partnerländern sei daher dringend erforderlich, unterstrich Maaßen: „Wir müssen aktuell wissen, wer in anderen Staaten als Terrorist geführt wird“. Die europäische „Counter Terrorism Group“ (CTG) wolle eine einschlägige Datenbank bereit Anfang Juli in den Probebetrieb nehmen, unterstützte er die von der Koalition an den Tag gelegte Eile. Deutschland müsse daran mitwirken können.

Der Bundesrat forderte am Freitag in einer im Eiltempo erarbeiteten Stellungnahme, dass nicht nur bei Prepaid-Karten, sondern bei allen Mobilfunk-Produkten eine Pflicht eingeführt werden sollte, die erhobenen Käuferdaten mit einem Ausweisdokument abzugleichen. Münch hielt davon nichts. Auch die Landesbehörden für Verfassungsschutz müssten „vollen lesenden Zugriff auf die in den nach dieser Vorschrift errichteten gemeinsamen Dateien enthaltenen Daten erhalten“, meint der Bundesrat. Die Vorschläge für gemeinsamen Dateien mit ausländischen Geheimdiensten gehen den Ländern insgesamt aber zu weit.

Quelle: http://heise.de/-3242398